Robo Bass Hifi
Nach seinem Debütalbum “16 Bit Skanks” auf Select Cuts (2013) stehen zur Zeit gleich zwei Veröffentlichungen bei Echo Beach an. Zum einen hat sich Robo Bass Hifi an Originaltunes von Tackhead und Fats Comet herangemacht und zum anderen fasst das Label das bisherige Schaffen auf einem “King Size Dub Special”-Sampler zusammen. Eine Menge Holz und Grund genug, sich mit Markus Kammann aka Robo Bass Hifi einmal näher zu befassen. Er war so frei, für Irie Ites.de ein paar Fragen zu beantworten.
Aktuell steht mit “The Message” ein Remixalbum von dir in den Läden, auf dem du dich Tracks von Tackhead und Fats Comet gewidmet hast. Beide Projekte entstammen den 80er Jahren und, so zumindest mein Gefühl, kommen dir in Sachen Klangfarbe mächtig entgegen. Würdest du dich als Kind der 80er verstehen?
Ich bin generell von vielen Gengres aus dem “Black Music”-Sektor beeinflusst. Meine musikalische Sozialisation würde ich eher mit dem Ende der 60er Jahren beginnend beschreiben, als mich sowohl Jimi Hendrix, Curtis Mayfield, Pharao Sanders u.v.a. in meinen Hörgewohnheiten beeinflusst haben. Zu Beginn der 80er Jahre, als es in Europa eine grosse Aufregung zum Thema Punkrock gab, war ich zunächst nicht besonders elektrisiert, da ich amerikanische Bands kannte, wie die MC 5 und die Stooges, die bereits zum Ende der 60er Jahre musikalisch die Punkidee vorweg genommen hatten. So konnte ich die damalige Aufregung nicht verstehen. Die setzte erst ein, nachdem ich die Dead Kennedy`s zum ersten Mal gehört hatte. Viel aufregender zu Beginn der 80er Jahre empfand ich die frühen Bill Laswell und Arthur Baker electro Hip Hop Produktionen. Mit Künstlern wie Afrika Bambaataa, Grandmaster Flash & The Furious Five u.a. wurde eine neue Dimension von Funk entwickelt, die bei mir das Gefühl hinterliess, jetzt haben die schwarzen Künstler die Elektronik entdeckt und kombinieren Kraftwerk mit Funk-Grooves. Ich war begeistert und das hat tatsächlich meine Hörgewohnheiten damals drastisch erweitert.
Hat man bei Vorlagen von Tackhead, die ja bekanntlich eine verdammt versierte Allstarband sind, Ehrfurcht, wenn man ans Remixen geht?
Absolut! Es ist für mich eine grosse Ehre, deren Material musikalisch bearbeiten zu dürfen. Meine Herangehensweise hierbei war, zu versuchen, deren Electrofunk und Reggae-Ideen, mit zeitgenössischen Sounds, Arrangements und fetten Mixen in die Gegenwart zu transportieren, damit diese Musik frisch und super hörbar bleibt. Ich hoffe, das mir dies einigermassen gut gelungen ist. Ich hatte ein gutes Gefühl dabei.
Wie gehst du grundsätzlich vor, wenn du dich an einen Remix heran machst?
Es kommt darauf an, ob es musikalische Vorgaben gibt oder ob ich freie Hand habe, einen Remix zu erstellen. Im Fall von Jan Delays “Wacken” beispielsweise, gab es von Managementseite die Vorgabe, den Remix in Richtung Prodigy zu entwickelt, was, meiner Ansicht nach, sehr gut gelungen ist. Wenn ich frei von Vorgaben bin, versuche ich den Spirit des Titels zu erfassen und gestalte den Remix so, wie ich persönlich diesen Spirit wiedergeben würde. Das kann dazu führen, dass ich lediglich den Gesang behalte und musikalisch darum ein neues Stück Musik konzipiere.
Was macht aus deiner Sicht einen guten Remix aus?
Auch eine neue Version von einem bereits existierenden Musikstück sollte eine Einheit von Text, Gesang und Musik ergeben, aber eben eine Andere. Die kann ggf. schlüssiger und besser sein als das Orginal. Damit, so ist meine Erfahrung, hat man in Deutschland durchaus Probleme. In England oder Amerika würde man solche Remixer hofieren und ihnen weitere Titel zum Mixen geben. In Deutschland ist man beleidigt.
In der Vergangenheit hast du dich an Remixe von Dubblestandart featuring Lee Perry, Dubmatix und vielen andere gemacht. Jedesmal, so hört es sich an, hat dir anscheinend bei den Originalen eine Spur elektronische Energie gefehlt, die du ihnen dann verpasst hast. Wie würdest du dich selbst beschreiben? Als in sich ruhenden Geist oder Adrenalinjunkie?
Beides! Ich kann Titel weitesgehend so lassen, wie sie sind und mit einigen Extras so mischen, dass sie sich toll anhören. Aber mich reizen auch super moderne Mixe, damit sich z.B. Mr. Lee Perry einmal völlig neu anhört. Jeder Lee Perry-Höhrer kennt dessen Sound, kennt halbwegs sein Image als Pionier und Legende, wie auch seine “Verrücktheiten” (Kontakt zu irgendwelchen Aliens, irgend etwas “from Outerspace” etc.). Warum sollte ich lediglich seinen etablierten Sound konservieren? Der Mann ist auf seine unnachahmliche Art und das ist sehr positiv gemeint, “crazy” und dem habe ich versucht Rechnung zu tragen.
Ich möchte noch einen Schritt weiter zurück gehen. Wie bist du überhaupt zum Dub gekommen? Gab es so etwas wie eine Initialzündung in Form eines Events oder Albums bzw. Künstlers?
Ich höre und kaufe seit 1974 Reggae, denn da tauchen unter dem Label “The Sound Of The Islands” über Import die ersten Reggaealben auf. 1976 erschien das Burning Spear Album “Marcus Garvey” und kurz darauf das Dub Album hiervon “Garvey`s Ghost”. Das hat mich damals umgehauen und passte prima in meine damalige Cannabisphase. In der Folge habe ich jede Menge Dubalben gekauft. King Tubby, Prince Jammy, Dennis Bowell u.s.w. und allen voran Scientist. Der Mann hat damals am Besten gerockt. Anschliessend haben mich auch die englischen Kollegen beeindruckt, Mad Professor und besonders Adrian Sherwood, der wiederum die Grenzen von Dubmusik deutlich erweitert hat.
Was reizt dich besonders an Dub?
Die eigentliche Idee der Reduzierung von Musik auf das “Wesentliche” unter Verwendung von Klangeffekten wie Hall und Echo, war lange Zeit die Basis von Dubmusik und hatte Einzug in jegliche Dancemusic gehalten. Diese trippigen, oder sagen wir, psychedelischen Elemente, werden weiterhin wichtig sein, müssen aber, meiner Ansicht nach, erweitert werden. Die neue Vielfalt von digitalen Sounds und Effekten werden Einzug in die dubbige Verarbeitung von Titeln halten. Diese neugewonnene musikalische Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit , die sich daraus ergibt, übt auf mich einen grossen Reiz aus.
Auf dem “King Size Dub Special”-Sampler wird die enorme Stilvielfalt deines musikalischen Tuns deutlich. Bratzige Sounds, ein wenig Dubstep, Dancehallanleihen etc. geben sich ein Stelldichein. Gibt es für dich irgendwo eine musikalische Genregrenze über die du nicht gehen würdest?
Ich tue mich schwer mit sämtlicher Art von Schlager-, trivialer Pop-,Singer/Songwritermusik (für mich Baggerlochmusik mit Lambrusco und Apfelkorn/Jugendtrauma). Egal, wo sie herkommen, ich mag Beats, Bass und Grooves!
Eine Frage, die uns bei Irie Ites.de schon länger beschäftigt und also auch dir als offenhörbarem Bass-Anhänger gestellt werden soll: Gibt es für dich in Sachen Lautstärke bei Soundsystems eine Grenze oder ist die Skala nach oben offen?
Das Problem, was sich oft bei kleineren, wie auch grossen Soundsystems ergibt ist, dass sie nicht gut eingestellt sind. Um einen sehr guten Sound herzustellen braucht man möglichst viel Lautsprecherfläche, um Soundfülle herzustellen. Einfach laut ist nicht gleich gut, sondern viel Verstärkerleistung erlaubt entspanntes Arbeiten der Boxen. Den EQ gut eingemessen, leistungsstarke Amps, viele Speaker, frequenzmässig gut getrennt, bringen hier einen fetten und klaren Sound, der selbst bei grossen Lautstärken nicht als anstrengend emfunden wird.
Was für Projekte stehen, neben der Veröffentlichung der beiden Alben, derzeit noch bei dir an?
Es gibt noch eine weitere EP Veröffentlichung am 20. Mai. Kollege Kimoe aus Berlin, für den ich die Musik zum Titelstück der EP “Meine Zeit” gemacht habe, ist dann soweit zu veröffentlichen. Ich würde gerne noch mehr mit deutschsprachigen Vokalisten machen. Goldi, Danny Ranks haben bereits Interesse gezeigt. Die eigentliche Idee dahinter ist, eine Electro- Dancehall EP in deutsch zu machen. Als Sideproject arbeite ich mit Kollegen an Electro-Tangostücken (ja auch Tango geht) und Tangostücken aus dem Pina Bausch Tanztheater Stück “Bandoneon”, was selten aufgeführt wird. Ausserdem habe ich hier noch einige Dubtracks in Arbeit, die noch fertig gestellt werden sollten bzw. bereits fertig sind.
Interview: Karsten Frehe (04/2016) Quelle: https://www.irieites.de/wordpress/?p=11750